In Memoriam
PROF.
DR. - ING.
habil. CLAUS MEIER
Architekt SRL, BayAK
Nürnberg
Bautechnische Lösungen gegen Schimmelpilz
Schimmelpilz ist derzeitig hochaktuell. Symposien
und Seminare schießen wie (Schimmel) Pilze aus der Erde. Gegenstand
der Erörterungen sind Gesundheitsstörungen und die juristischen,
chemischen und mikrobiologischen Folgen einer Schimmelpilzbelastung. Bewertung
und Sanierung von Schäden stehen im Vordergrund.
Viel zielführender wären dagegen Klärungen über Bautechniken,
die Schimmelpilzbelastungen von vornherein ausschließen.
Welche bauphysikalisch wichtigen Fakten und konkreten Hinweise wären hier zu beachten?
Strahlungsheizung
Beim Einbau einer Heizung in einem Gebäude
werden als Heizkörper Strahlplatten vorgesehen, die nicht allein wegen
der ästhetischen Vorzüge, sondern wegen der Energiebilanz und der
physiologischen Vorteile für den Nutzer zu bevorzugen sind. Temperierte
Wände erfüllen ebenfalls die Voraussetzungen für eine Strahlungsheizung
(Hüllflächen-Temperierung).
Die Vorteile einer Strahlungsheizung stützen sich dabei auf folgende physikalische Grundlagen:
- Wärmestrahlung (oder Temperaturstrahlung) ist eine elekromagnetische Welle, wie das Licht, der Strom, die Mikrowelle.
- Die Strahlleistung gehorcht dem Stefan-Boltzmannschen Gesetz,
das heißt, sie ist proportional zur vierten Potenz der absoluten Temperatur.
- Eine Wärmestrahlung erwärmt keine Luft, sondern nur
Materie (fest oder flüssig). Sie ist diatherm, die Raumluft bleibt deswegen
kühl und angenehm.
- Da die Umfassungstemperaturen eines Raumes deshalb stets höher
sind als die Lufttemperatur, entsteht auch kein Schimmelpilz – Luft kondensiert
nur bei Abkühlung.
- Bei dem aus hygienischen Gründen notwendigen Luftaustausch wird infolge der niedrigen Lufttemperaturen Energie gespart.
- Alle Oberflächentemperaturen im Raum gleichen sich durch
Strahlungsausgleich an. Es entstehen dadurch gleichmäßig temperierte
Umfassungsflächen einschließlich der Möbel – man fühlt
sich wohl und behaglich.
- Die langwellige Wärmestrahlung einer Strahlungsheizung durchdringt
kein normales Glas. Sie verbleibt im Raum und erzeugt damit einen ”Treibhauseffekt”.
Dadurch werden ”Wärmeschutzgläser” mit kleinen U-Werten überflüssig.
Diese physikalischen Gesetzlichkeiten erzwingen
geradezu die Wahl einer Strahlungsheizung. Die praktizierende Heiztechnik
jedoch berücksichtigt diese Vorzüge leider nicht.
Die Wärmeleistung einer Konvektionsheizung
verhält sich proportional zur ”Übertemperatur” – dies ist richtig.
Bei der Strahlungsheizung jedoch wäre dies falsch (siehe Punkt 2.).
Eine analoge Behandlung von Konvektions- und Strahlungsheizung ist deshalb
ein physikalischer Fauxpas – wird aber stets praktiziert und sogar in ”Prüfberichten”
so gehandhabt.
Bereits installierte Strahlungsheizungen zeigen
deutlich, daß diese in Zukunft eine immer größer werdende
Verbreitung finden werden. ”Strahlplattenheizkörper” und ”Temperierte
Wandflächen” werden in völlig neue Dimensionen einer fortschrittlichen
und gesunden Heiztechnik vorstoßen.
Feuchteschutz der Außenkonstruktion
Verstärkte Feuchte- und damit Bau- und Gesundheitsschäden
sind Folgen der verstärkten Durchsetzung ”zukunftsweisender, energiesparender”
Bauweisen, wobei das Wärmedämmverbundsystem und die Leichtbauweise
eine dominierende Rolle spielen.
Was ist zur Vermeidung von Schäden hierbei zu beachten?
- Verantwortlich für Oberflächen-Kondensat (nur bei einer
Konvektionsheizung möglich) ist die zu hohe relative Feuchte im Raum.
Diese entsteht durch unzureichendes Lüften und Heizen.
- Ein schlechter U-Wert der Außenkonstruktion ist gegenüber
der relativen Feuchte der Raumluft von völlig untergeordneter Bedeutung.
Ein ”guter” U-Wert kann die verheerende Wirkung einer zu hohen relativen
Feuchte nicht kompensieren (nur bei einer Konvektionsheizung).
- Der kapillare und diffusive Feuchtetransport ist in einer Außenkonstruktion
zu gewährleisten. Die DIN behandelt allerdings nur die Diffusion, jedoch
nicht die Sorption, eben den kapillaren Feuchtetransport. Dies führt
zu fehlerhaften Beurteilungen.
- Durch meist sorptionsdichte und diffusionsbehindernde äußere
Schichten von Wärmedämmverbund- und Leichtbausystemen wird die
Entfeuchtung der Konstruktion nach außen stark beeinträchtigt.
Durchfeuchtung der Konstruktion ist die zwangsläufige Folge.
- Die dann verstärkt nach innen orientierte ”Entfeuchtung”
fördert die Schimmelpilzbildung an der Innenwand. Die ”Schimmelhäuser”
sind viel diskutierte Sanierungsobjekte. Viele ”neue” Wohnungen sind durch
Umweltgifte und Schimmelpilze belastet.
- Nach innen orientierte Entfeuchtung wird von innen liegenden
Dampfsperren und Dampfbremsen behindert bzw. blockiert. Auch die “Intelligente
Dampfbremse” ist hier keine befriedigende Lösung.
- Durch fehlende Speicherfähigkeit der äußeren
Putzschicht (besonders bei WDVS) unterkühlt nachts die Oberfläche
infolge Abstrahlung derart stark, daß Kondensation der Nachtluft und
damit Algenbildung meist nicht zu vermeiden sind. Die Konstruktion veralgt.
Diese Unterkühlung ist bei Autodächern ja allseits bekannt.
- Um Algenbildung zu vermeiden, wird von WDVS-Herstellern empfohlen,
umweltverträgliche Algizide einzusetzen. Das Sick-Building Syndrom wird
also gehegt und gepflegt.
Mit dem Propagieren von ”Wärmedämmverbund-
und Leichtbausystemen” als “zukunftsweisende Bautechnik” wird der Bildung
von Schimmelpilzen Vorschub geleistet. Monolithische Massivkonstruktionen
dagegen bieten die Voraussetzungen für schadenfreies Bauen.
Luftdichtheit der Außenkonstruktion
Mit der Dämmhysterie wächst auch der ”Luftdichtheitsaktionismus”,
der in pseudowissenschaftlicher Manier hier zu fehlerhaften Vorstellungen
über Notwendigkeiten und Möglichkeiten einer Luftdichtheit führt.
Was muß hierzu gesagt werden?
- Luftdichtheit ist notwendig, um Kondensat in der Außenkonstruktion
infolge Abkühlung der nach außen strömenden Luft zu vermeiden.
- Massivbauten gewährleisten Luftdichtheit. Bei Skelettbauten
und Leichtkonstruktionen läßt sich eine Luftdichtheit konstruktiv/handwerklich
jedoch nicht dauerhaft herstellen. Deshalb waren hier bisher belüftete
Konstruktionen Regel der Technik.
- Durch den ”verordneten Vollwärmeschutz” werden jetzt die
unbelüfteten Konstruktionen zum Standard erhoben. Um die notwendige
Dichtheit vorzutäuschen, ist die ”Blower Door Prüfung” erfunden
worden. Allerdings wird Dauerhaftigkeit damit nicht erreicht.
- Zur Begründung der zu prüfenden ”Luftdichtheit” werden
stets die ”energetischen” Lüftungsverluste, nicht aber die zwangsläufig
auftretenden Feuchteschäden genannt.
- Durch den in den Verordnungen eingearbeiteten stündlichen
Luftwechsel ergibt sich ein Luftvolumenstrom von 2 m³/m² Nutzfläche
(bei 0,8 fachem Luftwechsel), von 1,75 m³/m² Nutzfläche (bei
0,7 fachem Luftwechsel) und von 1,50 m³/m² Nutzfläche (bei
0,6 fachem Luftwechsel).
- Diese großen Luftvolumenströme lassen eine Undichtheit
(z. B. von 15 m³/h) zu einem unbedeutenden Nichts schrumpfen. Mit diesem
beispielhaft gewählten Luftvolumenaustausch von 15 m³/h würde
sogar die ”verordnete” Lüftung für 7,5 m², für 8,57 m²
oder für 10 m² Grundfläche abgedeckt werden. Energetisch also
überhaupt kein Problem. Mit dem Horrorszenario einer ”energetisch nicht
zu verantwortenden Energieverschwendung” durch Leckagen wird damit nur vom
eigentlichen Problem der Feuchteschäden durch unbelüftete Konstruktionen
abgelenkt.
- Dieser ”unbeabsichtigte” Luftvolumenstrom von 15 m³/h würde
sogar, wenn keine Feuchteschäden entstehen, eine notwendige Grundlüftung
gewährleisten, die die hohen relativen Luftfeuchten schlecht belüfteter
Räume und damit die Schimmelpilzbildung verhindern würde.
Das Lüften
Zur Vermeidung von Schimmelpilz muß gelüftet werden. Dabei haben
sich unterschiedliche Lüftungsgewohnheiten herausgebildet. Welche Lüftungsart
ist zu empfehlen?
- Ursprünglich wurde das Kippfenster zur Lüftung herangezogen.
Dies wurde verworfen, weil damit die aufsteigende Wärme des unter dem
Fenster montierten Heizkörpers direkt ins Freie gelangte - Energieverschwendung.
- Nun hieß die Empfehlung ”Stoßlüftung”. Aber
auch diese ist nicht zu empfehlen, da mit steigender relativer Feuchte auch
der Wärmeinhalt der Raumluft ansteigt. Wer feuchte Luft hinauslüftet,
tauscht damit leider auch sehr energiereiche Luft aus, ist damit ebenfalls
ein Energieverschwender.
- Das Lüften muß deshalb in einer Art erfolgen, die
ein Ansteigen der relativen Feuchte grundsätzlich in normalen Grenzen
hält – dies ist das permanente Lüften.
- Hierfür gibt es zwei Möglichkeiten: die Lüftungsanlage und das undichte Fenster.
- Eine Lüftungsanlage ist teuer, sie muß aus hygienischen
Gründen stets gewartet werden (Verschmutzung und Verkeimung der Kanäle)
und verbraucht Antriebsenergie. Es muß deshalb ernsthaft davon abgeraten
werden.
- Das ”undichte Fenster” ist die einzige kostengünstige und
überschaubare Konstruktion, um einen Feuchtestau der Raumluft zu vermeiden
– eine uralte Lüftungsvariante.
- Sogar die ”Industrie” hat sich darauf eingestellt: Sie bietet
”undichte” Dichtungen an (Noppen auf dem Dichtungsband), empfiehlt Lüftungsschlitze
im Rahmen (auch mit Staudruckbremse) oder entfernt lapidar nur wieder die
Lippendichtung. Gegenüber dem in den Verordnungen geforderten ”Fugendurchlaßgrad”
bedeutet dies ein Salto Mortale rückwärts – Schizophrenie im konstruktiven
Denken.
- Warum eigentlich kann man zum Lüften nicht einfach das Fenster
aufmachen – frische Luft und die Verbundenheit zur Außennatur läßt
dies am wünschenswerten erscheinen.
Die Lüftungsindustrie jedoch ist da ganz
anderer Meinung. Wenn es nach ihr ginge, müßten Lüftungsanlagen
– ohne und vor allem mit Wärmerückgewinnung - sowie Klimaaggregate
zur Standardausrüstung einer jeden Wohnung gehören. Davor sei gewarnt
- unwirtschaftlich.
Konsequenzen
Diese nachweislich bewährten und erprobten
bautechnischen Hinweise werden nun durch unsinnige Verordnungen und eine
sich absurd gebärdende Entwicklung von ”Bautechnik” arg bedrängt.
Die Industrie und eine opportune Wissenschaft sind leider gegen die einfachsten
und solidesten Lösungen, da sie zu kostengünstig sind – man kann
daran nichts verdienen. Bewährtes Erfahrungswissen soll durch pseudowissenschaftlich-bürokratischen
Aktionismus verdrängt werden.
Eine notwendigerweise kundenfreundliche Bautechnik ist nicht zu erkennen,
hier befindet man sich weiterhin auf dem falschen Pfad – wenn nicht ernsthaft
die Weichen neu gestellt werden. Die Zeit ist reif – die Bauschäden
nehmen überhand. Deshalb wird empfohlen:
Meier, C. Richtig bauen – Bauphysik im Widerstreit – Probleme und Lösungen.
Renningen-Malmsheim: expert verlag, 2. Auflage 2003, 265 Seiten. ISBN: 3-8169-2187-6
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